„gerne anders!“, wer möchte das nicht sein!?!

Aber was ist, wenn ich wirklich „anders“ bin?!?

Jordy de Vries von der outbackstiftung hat sich im folgenden Interview mit René Kaiser, 34 Jahre alt, mit dem Pronomen ‚er‘, von der NRW Fachberatungsstelle „gerne anders!“, über seine Arbeit und das gerade sehr aktuelle Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt unterhalten.

Jordy de Vries: „Was sind die Kernpunkte eurer Arbeit“?

René Kaiser: „Die NRW Fachberatungsstelle „gerne anders!“ bietet Fortbildungen und Sensibilisierungen zu den Themen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der Jugendarbeit für Fachkräfte an. Wir machen auch direkte Fallberatung, können Begleitprozesse übernehmen und haben `Kontakt-stellen‘ in NRW. Das sind Jugendhäuser und Zentren, die mit uns intensiv in Kontakt stehen und einen starken Fokus auf sexuelle und geschlechtliche Vielfalt legen. Sie bilden ein NRW-weites Netz und stehen auch für Beratungen mit Verweisungskompetenz bereit. Zusätzlich erhalten sie stets Weiterbildungen durch uns, um die Qualität ihrer Arbeit in dem Bereich zu sichern“.

Jordy de Vries: „Was ist euer Alleinstellungsmerkmal“?

René Kaiser: Alle unsere Referent*innen, also meine Kolleg*innen Wibke Korten, Felix Laue und ich, haben Erfahrung speziell in der LSBT*I*-Jugendarbeit. Mit meinem umfangreichen Hintergrund aus der Leitung eines Trans*jugendtreffs und Beratungsarbeit für Jugendliche und Angehörige, bin ich für den Schwerpunkt geschlechtliche Vielfalt zuständig.“

Jordy de Vries: „Unsere Niederlassungsleitung war dieses Jahr auf eurem Fachtag. Wozu war diese ausgerichtet“?

René Kaiser: „Wir richten einmal im Jahr den „gerne anders!“ Fachtag aus, der durch NRW wandert. Der letzte hat im Oktober 2020 zum Thema: `Jugend, Sexualität und Trans*wege stattgefunden.
Er leitete unser Jahresthema Trans* ein, welches wir mit der Veröffentlichung einer Broschüre über Trans* in der Jugendarbeit und Methodenplakate bis zum nächsten Fachtag bearbeiten“.
„Methodenplakate bringen wir ebenfalls bereits seit einiger Zeit jeweils zum IDAHOT* (international Day against Homo and Trans*phobia) und COD (Coming-out Day) heraus, die in ganz NRW verschickt werden. Diese erlauben Einrichtungen das Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt auf-zuarbeiten und dienen auch als Poster mit einem LSBT*I*-Motiv“.

Jordy de Vries: „Kannst du unseren Leser*innen erklären, wofür LSBT*I* steht?“

René Kaiser: „LSBT*I* Ist die Abkürzung für lesbisch, schwul, bisexuelle, tans* und inter*. Lesbisch, schwul und bi sind sexuelle Orientierungen. Trans* und inter* sind geschlechtliche Identitäten.
Zum Beispiel: ein Trans* Mann wäre ein Mensch, geboren als Frau, der den Weg zum Mann gegangen ist. Dies sagt allerdings nichts über die sexuelle Orientierung dieser Person aus. Denn geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung sind unabhängig voneinander.

Jordy de Vries: „Kannst du dann auch einmal bitte erklären, was sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität bedeutet?“

René Kaiser: „Ich fange mal damit an den Begriff Geschlecht auseinander zu nehmen. Denn, wenn wir von Geschlecht reden, dann denken wir normalerweise nur innerhalb des binären Systems.
Geschlecht ist mehr als nur `Mann oder Frau´. Es besteht aus verschiedenen Dimensionen, nämlich der Geschlechtsidentität, indem ich weiß oder fühle, was ich bin, dem Geschlechtsausdruck, beispielsweise, wie ich mich kleide und verhalte, dem biologischen Geschlecht und der sexuellen Orientierung. Ich kann mich zum Beispiel als Mann wohlfühlen, es muss aber nichts darüber aussagen, welche Kleidung ich trage, oder wie mein biologisches Geschlecht beschaffen ist. Und es ist unabhängig von meiner sexuellen Orientierung, also wen ich attraktiv finde oder in wen ich mich verliebe.“

Jordy de Vries: „Warum ist deine Arbeit wichtig, was treibt dich an?“

René Kaiser: „LSBT*I* erfahren immer noch Diskriminierung und Ausgrenzung und es bestehen immer noch Vorurteile in der breiten Gesellschaft. Schwul ist immer noch das häufigste Schimpfwort, besonders auf dem Schulhof. Lesben werden oft unsichtbar gemacht, oder sie existieren nur im männlichen Blick. Bei Bisexuellen ist ein häufiges Vorurteil, sie können sich einfach nicht entscheiden, ob sie homo oder hetero sein wollen, oder die eigene Bisexualität wird nicht wirklich gesehen. Auch Trans* leiden unter Vorurteilen und werden oft als Jungs in Röckchen lächerlich gemacht. Inter* werden meistens als Monster gebrandmarkt.
Wir gehen in unserer Arbeit gegen Vorurteile, die ausgrenzen und einschränken, vor. Wir versuchen, Vielfalt eine Stimme und einen Platz zu geben, um damit Demokratieverständnis zu fördern und Lebensqualität für alle Menschen zu geben. Vieles davon hängt von der eigenen Haltung der Fachkräfte in der Jugendarbeit ab. Wir geben Menschen Sicherheit in Umgang mit LSBT*I*, bauen Ängste und Vorurteile ab, um für ein vielfältigeres Klima in der Jugendarbeit und hilfe zu sorgen.“

Jordy de Vries: „Manche Leute meinen, dass geschlechtliche Vielfacht und/oder sexuelle Orientierung nur ein Trend ist, was würdest du denen gerne sagen?“

René Kaiser: LSBT*I*, also nicht heteronormative, sexuelle Orientierungen und nicht-cis-geschlechtliche Identitäten, gab es schon immer. Eventuell aber waren sie zuvor nicht so benannt, wie jetzt. In antiken Kulturen findet man Zeugnisse entweder in der Schrift oder im Bild von homo-sexuellen Handlungen. Homosexualität ist ein natürlicher Bestandteil des menschlichen Lebens und von Sexualität insgesamt. Auch bei Tieren findet sich oft homosexuelles Verhalten – Homofeindlichkeit aber nur bei einem, dem Menschen“.

 
Jordy de Vries: Und wie ist das in Bezug auf Trans*identitäten?


René Kaiser: „Trans*identitäten gibt es auch oft in anderen Kulturen, unter anderem Namen. In Nordamerika gibt es die Berdache, oder in Indien die Hijra (auch Hidschra). Dort haben diese Kategorien einen festen kulturellen Platz. Warum kann Trans*sein nicht auch einen Platz bei uns haben?“

Jordy de Vries: „Was macht Spaß an deiner Arbeit, hast du besondere Momente für uns?“

René Kaiser: „Was mir Spaß macht, sind die Momente, wenn Menschen etwas in der ganzen Trag-weite begreifen. Zum Beispiel bei einer Fortbildung für Jugendlichen die einen (Gruppen-)leiterschein machten. Ich hatte ganz am Anfang die Begriffserklärung und ein Promirätsel gemacht. ‚Was ist LSBT*I*? Und was ist Trans*? Und Trans*Mann und Trans*Frau?‘ Ich habe ein Bild gezeigt von Buck Angel, ein Trans*aktivist aus den USA, der richtig männer-holzfällerhaft aussieht, allerdings von der körperlichen Ausstattung eine Vulva hat. Als ich dann erzählte, dass Männer und Frauen in ganz verschiedenen Ausführungen und Variationen vorkommen, sah man, wie den Teil-nehmenden das ganze Konzept von geschlechtlicher Vielfalt auf einmal klar wurde. Das war ein sehr schöner Moment.
Mir bereitet auch Freude zu wissen, dass ich anderen Menschen helfen kann. Dass ich Sicherheit und die Haltung bieten kann, um (indirekt) die Lebensqualität von LSBT*I* zu steigern; indem ich Fachkräfte gegenüber Homo- und Trans*feindlichkeit sensibilisieren und LSBT*I*-Jugendlichen dadurch eine bessere Freizeit und Erlebenswelt garantieren kann“.

Jordy de Vries: „Wie hast du die Zusammenarbeit mit der outback stiftung bis jetzt erfahren?“

René Kaiser:
„Sehr gut! Vor allem, weil wir es im Sommer geschafft haben, Präsenzveranstaltungen zu machen. Sehr vieles an der Fortbildung und Sensibilisierung lebt von Diskussionen und Haltungsarbeit.
Das Team war sehr offen, wertschätzend und sehr divers. Ich glaube, es gibt schon sehr viel Expertise in den verschiedenen Teams von Trägern und Organisationen durch ihre eigene Diversität.
Aber es braucht eine allgemeine Diskussion, damit man auf den gleichen Stand ist: Welche Sitten haben wir? Welche Haltung haben wir? Es braucht Struktur, und diese bieten wir in unseren Fortbildungen an.“

Jordy de Vries: „Oh, danke für die schöne Rückmeldung. Das würde ich gerne zurückgeben. Auch wir waren froh, großzügige Räume zur Verfügung zu haben, in denen wir im Sommer unter Beachtung der Abstands- und Hygieneregeln zusammenkommen konnten.
Wir, die Mitarbeitenden der outback stiftung, kooperieren jetzt schon fast ein Jahr mit dir und dem Träger „gerne-anders“. Du hast uns fachlich sehr gut beraten, unterstützt und fortgebildet. Gerne empfehlen wir euch weiter! Ich bin froh, dass wir nun Hilfen für Trans*kinder und -Jugendliche anbieten können. Dafür haben wir bereits viele gute Ideen!
Wir freuen uns auch auf die nächsten Fortbildungen für Betreuer*innen!


Für mehr Information zu dem Thema LSBTI*I* oder zu der Fachberatungsstelle „gerne anders!“, besuchen Sie diese Website: www.gerne-anders.de 


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